Eine Resolution des Bundesrats Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinde in Deutschland 2019
Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott. 3. Mose 19,33-34
Aus der deutschen Geschichte ergibt sich eine Verantwortung für das gegenwärtige Handeln. Vor 100 Jahren wurde in die Weimarer Reichsverfassung die Religionsfreiheit aufgenommen. Die Nationalsozialisten missachteten diese und alle anderen Grundrechte. 70 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes und 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution erinnern wir daran, dass Religionsfreiheit und das Recht auf Asyl Grundrechte sind, die zusammengehören.
Wir sind dankbar, dass die Weimarer Reichsverfassung in unserem Land vor 100 Jahren erstmals Religionsfreiheit und andere Grundrechte umfassend garantierte und die Trennung von Staat und Kirche festschrieb.
Wir erinnern daran, dass die Nationalsozialisten die demokratischen Grundstrukturen zerstörten und elementare Grundrechte wie das auf Leben und den Schutz von Minderheiten missachteten. Wer – wie die Juden – verfolgt wurde und im Ausland kein Asyl fand, war der brutalen Verfolgung durch die Nationalsozialisten hilflos ausgeliefert.
Wir erinnern dankbar an die Verabschiedung des Grundgesetzes vor 70 Jahren. Mit der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten konnte im Westen eine neue demokratische Verfassung entstehen, die sich der Würde des Menschen und auch der Religionsfreiheit verpflichtete.
Wir feiern in Dankbarkeit den Fall der Mauer vor 30 Jahren. Die Friedliche Revolution führte zur Überwindung einer Diktatur und ermöglichte das Geschenk von Freiheit und Einheit. Seither gibt es in ganz Deutschland eine umfassende Religionsfreiheit.
Die deutsche Geschichte ist für uns Verpflichtung, denen Schutz durch Asyl zu gewähren, die wegen ihrer religiösen Überzeugungen bedroht werden. Menschen, die in ihren Heimatländern wegen ihrer Religion verfolgt werden, sind oft stark traumatisiert. Sie suchen hier Asyl, weil sie hoffen, ihren Glauben öffentlich und ohne Angst um Leib und Leben ausüben zu können. Menschen, denen aufgrund eines Religionswechsels Verfolgung droht, brauchen den Schutz unseres Staates in besonderer Weise – ob sie nun bereits in ihrem Herkunftsland konvertiert sind oder erst in Deutschland die Religion gewechselt haben. Als Freikirche, die die Freiheit des Einzelnen in religiösen Fragen sehr ernst nimmt, legen wir dabei großen Wert darauf, dass niemand leichtfertig seine Religion wechselt und sich taufen lässt.
Wir fordern von den staatlichen Stellen, dass über Asylanträge aus religiösen Gründen nur Menschen entscheiden, die dazu befähigt sind. Religiöse Fachkompetenz ist unerlässlich bei diesen Entscheidungen, die für die Betroffenen weitreichende – ja möglicherweise existentielle – Folgen haben. Entscheider sollten bei Bedarf Fachgutachter hinzuziehen. Es darf nicht passieren, dass das Grundrecht auf Religionsfreiheit ausgehöhlt wird. Doch genau dies geschieht, wo Menschen, denen es wegen drohender Verfolgung aus religiösen Gründen zusteht, das Grundrecht auf Asyl nicht gewährt wird.
Wir sind dankbar für das Engagement unserer Gemeinden für Geflüchtete und fordern sie auf, hierin nicht nachzulassen. Wir wünschen uns, dass Gemeinden Konvertiten in Fragen des Glaubens und der christlichen Lebensgestaltung eine Stütze sind und ihnen auch in juristischen Fragen beistehen.
Kassel, 1. Juni 2019
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