Müssen wir uns daran gewöhnen, dass Konflikte überall auf der Welt vor allem mit Gewalt und Waffen vermeintlich gelöst werden? Müssen wir uns daran gewöhnen, dass Menschen, die anders sind, mit Ablehnung, Ausgrenzung oder gar Hass begegnet wird? Müssen wir uns daran gewöhnen, dass politische Kultur und öffentliche Debatte oftmals von Empörungsäußerungen geprägt sind? Müssen wir uns daran gewöhnen, dass auch Christen genau so handeln?
Ich muss daran denken, dass Nationen, die für sich reklamieren, christlich zu sein, heute im Ergebnis Staatsterrorismus betreiben. Ich muss daran denken, dass es Christen gibt, die solches Tun segnen. Ich muss daran denken, dass in manchen Kirchen Menschen ausgegrenzt werden, die anders sind – auf Grund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Prägung, ihrer Religion oder ihrer Behinderung.
All das lässt mich erschrecken. All das macht mir Angst. All das bringt mich aber zu der einen Frage: Was würde Jesus dazu sagen? Was würde Jesus tun? Die Beziehung zu Jesus ist das Zentrum meines Glaubens. Darum ist es mir wichtig, Jesus-gemäß zu leben, zu fragen und nachzulesen, was Jesus von mir will. Zugegeben: In der Bibel finden sich auch Texte, die – isoliert betrachtet – auf Abwege bringen können. Aber wenn ich das Wort Gottes von seiner Mitte, von Jesus her lese, dann wird Vieles ganz klar. Und dann wird auch deutlich, was nicht mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren ist.
„Auge um Auge, Zahn um Zahn“ – dieser Rechtsgrundsatz aus dem biblischen Buch Exodus war ein Fortschritt in alter Zeit, denn er begrenzte die ausufernde Gewalt. Jesus ist in dieser Frage noch radikaler. In seiner Bergpredigt sagt er: „Ihr wisst, dass es heißt: ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn.‘ Ich aber sage euch: Verzichtet auf Gegenwehr, wenn euch jemand Böses antut! Mehr noch: Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin.“
Ist Jesus ein Verlierer? Und will er uns zu Verlierern machen? Das ist wenig attraktiv. Aber vielleicht müssen sich Christen neu daran gewöhnen: Nicht auf der Seite der Stärkeren zu sein. Nicht die Mehrheit zu bilden. Einfluss zu verlieren. Eine Meinung zu haben, mit der sie anecken.
Ich denke an Jesus, der in einer Krippe geboren wird. Gott in Menschengestalt. Aber irgendwie lächerlich. Ich denke an Jesus, der am Kreuz hängt. Er ist nicht schön anzusehen. Dennoch will ich ihm nachfolgen. Dennoch gelten seine Maßstäbe für mich. Dennoch will ich, dass er mich prägt. Und darum will ich mich an Gewalt und Hass und Ausgrenzung nicht gewöhnen!
Dieser Text ist gleichlautend in den Grafschafter Nachrichten erschienen, Ausgabe vom 11.1.2020.